HII – Blauer Mantel, Nine-to-Five-Job & Russische Spione

 

Teil 1 der Geschichte gibt es hier nachzulesen und Teil 2 hier.

 

Sein Aufenthalt in Strassburg liegt nun schon einige Wochen zurück. Dem Schweizer mit dem unauffälligen blauen Mantel fiel damals, als er seinen Memory-Stick wieder zurückbekam, ein Gesteinsbrocken so gross wie der als Kunst deklarierte und auf einem Metallpfosten stehende Findling beim Camping Sarnen vom Herzen. Wieso ihm immer wieder diese Bilder aus seiner alten Heimat in den Sinn kommen, weiss er selber nicht genau. Fürs Unihockey und sonstige Verpflichtungen kehrt er zwar regelmässig dorthin zurück, wohnen tut er aber schon länger nicht mehr dort. So oder so, wenn er zurückkehrt, überkommt ihn immer bereits nach kurzer Zeit ein mulmiges Gefühl, in dieser heilen Welt irgendwie fehl am Platz zu sein. Anders ist es, wenn er in den Grossstädten dieser Welt unterwegs ist. Jede Stadt ein Biotop mit eigenen Stimmen, Menschen, Gerüchen, Ideen, Lebensweisen. Das ist seine Welt!

In einer solchen Stadt, die zwar kaum als gross bezeichnet werden kann, in der dafür aber umso stärker der süsse Duft von warmen Glögi in der Luft hing, hat der Schweizer seinen persönlichen Albtraum erlebt. Ihm ist dort sein Memory-Stick abhandengekommen. Wenn man in seinem Beruf etwas nicht verlieren sollte, dann ist es dieser Memory-Stick. Heute hat er ihn wieder und wie die Übergabe geschah, hat er schon fast wieder vergessen. In Anbetracht der grossen Dankbarkeit über das Zurückbekommen des Sticks entschied er kurzerhand, dass er, sollte er einmal Vater einer Tochter werden, sie nach der Dänischen Kronprinzessin Mary benennen will. Wahrscheinlich ist dies aber nicht, feiert er doch auch schon bald seinen vierten runden Geburtstag. Bei diesem Gedanken wird ihm flau in der Magengegend. Zum einen feiert er Geburtstage grundsätzlich nicht gerne und zum anderen schon gar nicht, wenn dazu noch der soziale Druck besteht, ein grosses Fest zu veranstalten. Obwohl, Zeit für die Organisation hätte er eigentlich. Nach seiner Rückkehr aus Strassburg hat er sich versetzen lassen. Das viele Reisen hat ihn müde gemacht und die Geschichte mit dem Memory-Stick brachte das Fass zum Überlaufen. Er geniesst nun seinen Nine-to-Five-Job, wo er die Wochenenden fix planen kann und auch am Abend frei hat. Ganz nebenbei hat er seit dem Stellenantritt als Bürogummi bereits 10 Kg abgenommen. Zu verdanken hat er dies einem Body Shaping-Kurs im Fitnessstudio, den er seit geraumer Zeit regelmässig besucht. Nebst dem gesteigerten körperlichen Wohlbefinden erhofft er sich davon mittel- bis langfristig auch eine Verwirklichung seines ‚Mary-Traums‘, ist er doch der einzige Mann im Kurs.

An einem Samstagmorgen macht er sich dick eingepackt in seinen blauen Mantel auf den Weg zur Arbeit. Normalerweise arbeitet er nicht am Wochenende, heute muss er aber eine Ausnahme machen. Am Montag findet eine wichtige Sitzung statt, für welche er unbedingt noch ein paar Dinge vorbereiten muss. Deswegen verpasst er auch wieder einmal ein Meisterschaftsspiel seiner Unihockeymannschaft. Tant pis – die werden das auch ohne mich reissen, denkt er sich.

Von seiner schmucken 3-Zimmer Wohnung zum Arbeitsplatz sind es nur fünf Gehminuten. Wie jeden Morgen begrüsst er bei der Sicherheitskontrolle die Securitas. Da macht er auch an einem Samstag keine Ausnahme. Seit bekannt wurde, dass im nächsten Jahr eine neue Sicherheitsfirma den Sicherheitsdienst im Gebäude übernehmen wird, ist die Stimmung beim Sicherheitspersonal merklich gesunken. Ein fröhliches „Guete Morge“ kann daran zwar nichts ändern, bringt aber immerhin ein bisschen Aufheiterung in den Alltag. Er geht weiter zu den Postfächern und holt sich die aktuelle Ausgabe der Luzerner Zeitung. Früher las er hier jeweils noch die Obwaldner Zeitung, um immerhin einigermassen darüber informiert zu sein, was dort so vor sich geht. Im Rahmen einer Sparmassnahme wurde dieses Abonnement aber gekündigt. Seither muss er sich mit der Luzerner Zeitung begnügen.

Der Lift ins Büro.

 

Auf dem Weg in sein Büro trifft er keine weiteren Kolleginnen oder Kollegen an. Auch im Büro ist er erwartungsgemäss der Einzige. Er steckt den Memory-Stick in den Computer und loggt sich ein. Eben erst durchlief er die Personensicherheitsprüfung und hat seither Zugang zu klassifizierten Informationen, Materialien und Anlagen.

Tief in die Arbeit versunken, macht sich plötzlich sein Magen bemerkbar. Meist ein untrügliches Zeichen dafür, dass es Mittag ist. Er nimmt seinen blauen Mantel von der Garderobenstange, steckt sich die Luzerner Zeitung unter den Arm und macht sich auf den Weg zu seinem Lieblings-Koreaner. Dort kann er sich Hinsetzen und die Chefin bringt ihm, was er immer nimmt: vier Mandu Teigtaschen, drei Kimbap Reisrolle und Kimchi. Fürs Kaffee muss er jeweils vom Koreanischen Speiseplan abweichen, denn ohne einen Espresso – ohne Milch und ohne Zucker – kann er nicht in den Nachmittag starten. Dabei wirft er auch einen Blick in die Zeitung, wo in jeweils besonders das Ressort International interessiert. Seit die NZZ bei der Luzerner Zeitung eingestiegen ist, besteht das internationale Ressort zu einem Grossteil aus eigentlichen NZZ Artikeln. Für die publizistische Vielfalt mag das negativ sein, ihm ist das aber herzlich egal so lange die Qualität stimmt. Und beim internationalen Teil der NZZ tut sie das. Aus seiner Sicht ist der Zerfall der Medienbranche sowieso nicht mehr aufzuhalten. Der Journalismus ist bei den Medienhäusern heutzutage doch im besten Fall nur noch von zweitrangiger Bedeutung. Das Geld machen die mit ihren Ticketplattformen, Immobilienangeboten oder mit Tauschbörsen. Der Kapitalismus macht vor der Medienbranche genauso wenig Halt wie vor Estland, denkt er sich.

Beim Durchschauen der internationalen News stösst er auch auf eine Meldung mit Schweizer Bezug. Scheinbar wurden vergangene Woche zwei russische Geheimdienstmitarbeiter in der Schweiz dingfest gemacht, die spionieren wollten. In der Schweiz spionieren? Das erscheint ihm ziemlich absurd. Wollen die etwa herausfinden, ob die beste Armee der Welt noch irgendwo vergessene Panzer herumstehen hat? Bei diesem Gedanken muss er schmunzeln. Er kramt das Geld für das Mittagessen und den Espresso hervor und macht sich auf den Weg zurück ins Büro.

Auf dem Weg zurück ins Büro.

 

Der Nachmittag verläuft ruhig und er kommt gut voran mit der Arbeit. Trotzdem ist es draussen bereits Dunkel, als er den Laptop zuklappt, seinen Schal um den Hals wickelt und dick eingepackt nach draussen tritt. In diesem Moment surrt sein Smartphone:

Resultat nach 20. Minuten

Resultat nach 20. Minuten

 

Nein! Das kann es doch nicht sein. Immerhin kann es jetzt in den verbleibenden zwei Dritteln nur noch besser kommen, murmelt er vor sich hin. Bevor er nach Hause geht, macht er einen kurzen Umweg via seine Stammbeiz. Nach zwei, drei Bier (oder waren es doch mehr?) tritt er hinaus in die dunkle Nacht. Wieder surrt sein Natel:

Schlussresultat...

Schlussresultat…

 

Beim Lesen der Nachricht wird er schon fast ein wenig wütend. Das kann es doch nicht sein. Die haben gleich elf Gegentore kassiert? Er denkt darüber nach, wann sie das letzte Mal so hoch verloren hatten und kann sich beim besten Willen nicht daran erinnern… Der einzige Lichtblick in diesem Moment ist, dass sie bereits in einer Woche die Möglichkeit zur Korrektur haben. Er wird beim Spitzenspiel dann auch dabei sein. Zuhause angekommen will er die Haustüre mit seinem Schlüssel aufschliessen und bemerkt, dass diese bereits offen ist. Komisch denkt er sich, habe ich tatsächlich am Morgen vergessen die Haustüre abzuschliessen?

 

 

 

White Indians Inwil-Baar – Ad Astra Sarnen 11:5 (5:2, 2:1, 4:2)

Waldmanhalle, Baar. 82 Zuschauer. SR Müller/Schmutz.

Tore: 3. P. Zumbach (J. Giger) 1:0. 8. L. Waser 2:0. 9. G. Koller (P. Schmid) 3:0. 9. G. Amstutz (R. Flühler) 3:1. 15. M. Odermatt (L. Abächerli) 3:2. 17. M. Von Reding 4:2. 20. D. Andermatt (P. Heeb) 5:2. 26. P. Schmid (D. Andermatt) 6:2. 28. B. Haas (M. Odermatt) 6:3. 30. M. Von Reding 7:3. 43. P. Heeb (D. Burch) 8:3. 46. G. Koller (D. Agner) 9:3. 46. L. Abächerli 9:4. 57. G. Koller (D. Andermatt) 10:4. 59. G. Koller (D. Andermatt) 11:4. 60. B. von Rotz (M. Odermatt) 11:5.

Strafen: 4mal 2 Minuten gegen Inwil-Baar. 3mal 2 Minuten gegen Ad Astra Sarnen.

Sarnen: S. von Wyl; R. Durrer, J. Wintsch, M. Schäli, R. Isler, L. Abächerli, P. Küng; G. Amstutz, M. Furrer, R. Arregger; B. von Rotz, B. Haas, R. Flühler, M. Odermatt, F. Britschgi, F. Gehrig, T. Lustenberger

Inwil-Baar: S. Schürpf, R. Weiss; S. Frei, P. Zumbach, L. Weibel, M. Von Reding, D. Agner, D. Burch, D. Andermatt, P. Schmid, S. Häseli, M. Frei, J. Wymann, G. Koller, S. Schürpf, D. Annen, R. Weiss, J. Giger, L. Waser, P. Heeb, C. Brandenberg